Die Hamburger Sozialbehörde hat Anfang dieser Woche mit sog. „Anhörungsschreiben“ die Eimsbütteler Bezirksversammlung über zwei Vorhaben informiert, die die Behörde im Garstedter Weg zum April umsetzen will. Die vollständigen Schreiben mit allen Informationen sind ganz unten am Ende des Textes eingefügt.
Da damit sehr viele berechtigte Fragen verbunden sind, haben wir nachstehend zusammengetragen, was uns hierzu bekannt ist.
Vorab: Wir kennen die Planungen auch erst seit dieser Woche und bemühen uns seit Bekanntwerden um weitere Informationen, sprechen mit vielen Nachbarinnen und Nachbarn sowie Einrichtungen und haben auch unsere Kritik am Vorgehen und der bisherigen Beteiligung deutlich gemacht. Dazu weiter unten mehr.
Garstedter Weg 79 – Pflegeheim
Ausgangslage
Der Standort wurde bisher privat als Seniorenstift betrieben (früher Rommerskirchen, jetzt Deutsche Seniorenstiftgesellschaft, kurz DSSG).
Im letzten Jahr wurde das Pflegeheim durch den Betreiber DSSG der Stadt bzw. dem stadteigenen Sozialunternehmen Fördern & Wohnen (F&W) aktiv angeboten.
Hintergrund für das Angebot sei laut Sozialbehörde gewesen, dass der Betreiber das Haus hätte umbauen müssen, um die Vorschriften mit Blick auf das Thema Barrierefreiheit einhalten zu können. Die Übergangsfristen hierfür (10 Jahre plus 3 Jahre Verlängerung) wären Ende 2024 ausgelaufen. Zudem habe sich nach Angaben des Betreibers auch der laufenden Betrieb nicht mehr gerechnet, da es an Pflegefachkräften fehlt und somit viele Betten nicht mehr belegt werden konnten. Das Pflegeheim wäre also nach Aussage des Pächters in jedem Fall geschlossen worden.
Was passiert mit den bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner?
Eine wichtige Frage für uns war natürlich, was mit den jetzigen Bewohnerinnen und Bewohnern und Mitarbeitenden passiert und wie diese – so wie auch die Angehörigen – informiert wurden.
Uns wurde mitgeteilt, dass (Stand 19.2.) noch 38 Personen in der Einrichtung leben.
Der Betreiber habe mehrere Standorte und habe den Bewohnerinnen und Bewohnern Plätze an anderen Standorten angeboten. Die Einrichtung habe mitgeteilt, dass davon
- bereits 25 Seniorinnen und Senioren mit einem neuen Platz versorgt seien und bis Ende Februar den Garstedter Weg verlassen werden,
- 6 Seniorinnen und Senioren bereits einen neuen Platz finden konnten, wobei der Umzug noch nicht terminiert sei,
- 6 Seniorinnen und Senioren in der Alsterkrugchaussee (gehört ebenfalls zur DSSG) einen Platz angeboten bekommen hätten,
- lediglich für eine Seniorin die DSSG noch die Rückmeldung der Angehörigen erwarte und daher aktuell zum Umzug noch keine Aussage getroffen werden könne.
Alle Auszüge sollen bis Ende März realisiert sein.
Was ist geplant?
Die Sozialbehörde plant hier zum 1. April in der Einrichtung vulnerable – also pflegebedürftige – Wohnungslose unterzubringen. Am Standort sollen bis zu 118 Personen untergebracht werden können. Die eigenständige Mobilität dieser Menschen ist nach Auskunft der Sozialbehörde deutlich eingeschränkt. Einige Rollstuhlfahrer seien durchaus selbstständig.
Das Mobiliar – u. a. auch die Pflegebetten – soll vom bisherigen Betreiber übernommen werden. Zudem stünden Räume für ärztliche und pflegerische Versorgung und Therapiegespräche zur Verfügung.
F&W soll die Einrichtung betreiben – fest angestelltes Personal in Form von Teamleitung, Sozialarbeit, Unterkunftsmanagement und Technischen Dienst. Auch außerhalb der Geschäftszeiten seien Angestellte mit Betreuungsaufgaben und ein Wachdienst vor Ort, sodass die Unterkunft sieben Tage rund um die Uhr betreut werden soll.
Der Mietvertrag sei für eine Laufzeit von 15 Jahren geschlossen worden, geprüft würde auch ein Kauf der Liegenschaft. Die Betriebsaufnahme sei für den 15. April vorgesehen.
Garstedter Weg 20 – Fett’sche Villa
Ausgangslage
Die Fett’sche Villa wurde lange Zeit von der Alsterdorf Assistenz West für die Betreuung geistig behinderter Menschen genutzt.
Was ist geplant?
Die Sozialbehörde beabsichtigt, die Fett’sche Villa künftig als Interventionswohnung für obdachlose Menschen zu nutzen. Maximal 16 Personen könnten hier untergebracht werden.
Die Villa liegt eingezäunt in einer kleinen Parkanlage zwischen Garstedter Weg und Fuhlsbütteler Weg.
Auch hier soll F&W die Einrichtung betreiben, und auch hier ist fest angestelltes Personal in Form von Teamleitung, Sozialarbeit, Unterkunftsmanagement und Technischen Dienst vorgesehen. Von Montag bis Sonntag seien zwei Mitarbeitende von 8 bis 20 Uhr anwesend, außerhalb der Zeiten ein Wachdienst, sodass die Villa rund um die Uhr besetzt sei. Für die Bewohner gibt es ein intensives Betreuungsprogramm.
Wie wird weiter informiert?
Für beide Vorhaben sollen nun sehr schnell Informationsveranstaltungen durchgeführt werden und in beiden Unterkünften sollen auch Besichtigungstage stattfinden, an denen sich Bürgerinnen und Bürger ein Bild machen und mit Verantwortlichen ins Gespräch kommen können.
Kritik und Erwartungen
Dass es für diese Vorhaben keine frühzeitigere Beteilung von Öffentlichkeit und Politik gegeben hat, muss an dieser Stelle deutlich kritisiert werden. Da es sich hierbei nicht um kurzfristige Not-Maßnahmen handelt, hätten rechtzeitig mit kommunaler Politik, Nachbarschaften und örtlichen Einrichtungen und Helferstrukturen Gespräche geführt, Konzepte vorgestellt und diskutiert werden müssen. So hätte die große Chance bestanden, gemeinsam Vorhaben auf den Weg zu bringen und für Akzeptanz zu sorgen.
Dass nun Stadtteil und Umfeld vollendete Tatsachen präsentiert werden, ist für das Gelingen der Projekte kein guter Start.
Es gibt viele Fragen und Sorgen, die auch durch die Anhörungsschreiben bisher nicht geklärt bzw. genommen wurden – viele davon auch, da sich im direkten Umfeld der Pflegeunterkunft Garstedter Weg 79 die Grundschule Burgunderweg und Kitas befinden. Unsere erste Forderung nach Bekanntwerden der Pläne war daher, dass umgehend mit Einrichtungen und Elternschaft Kontakt aufgenommen wird, um die dort auflaufenden Fragen klären zu können.
Dies gilt natürlich auch für alle weiteren Fragen und Unsicherheiten, die es im Zusammenhang mit den beiden Standorten gibt. Hier erwarten wir klare Antworten in den Informationsveranstaltungen, ein Zugehen auf Stadtteil und Nachbarschaft und die Bereitschaft, ggf. auch Anpassungen an den Planungen vorzunehmen.
Fragen und Antworten
Eine Reihe von Fragen, die uns in den letzten Tagen erreicht haben und die auch uns beschäftigen, haben wir bereits an die Sozialbehörde gegeben und nachstehende Informationen (in kursiv) erhalten:
Wo halten sich die Bewohnerinnen und Bewohner für den Garstedter Weg 79 auf?
Die Bewohner und Bewohnerinnen (wir haben auch einen Anteil von Frauen) sind ganz überwiegend aufgrund der pflegerischen Bedarfe deutlich mobilitätseingeschränkt. Deshalb ist nicht mit einer hohen Bewegungsdichte im öffentlichen Raum zu rechnen. Aber natürlich können sich diese Personen wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt frei im öffentlichen Raum bewegen. Durch das Unterkunfts- und Sozialmanagement wird dabei aber im Bedarfsfall auf die Einhaltung von Regeln in und um die Einrichtung hingewiesen und aktiv hingewirkt. Darüber hinaus werden wir voraussichtlich über den Förderverein des Winternotprogramms das ehrenamtliche Engagement vor Ort verstärken, über das z. B. auch eine Begleitung im Sozialraum erfolgen könnte.
Ist an den Standorten die Unterbringung von Suchtkranken/Drogenabhängigen vorgesehen?
Personen mit einer Suchterkrankung von harten Drogen sind von der Aufnahme in dieses Angebot ausgeschlossen. Eine adäquate Versorgung kann in diesem Rahmen nicht gewährleistet werden und war auch mit Blick auf den Sozialraum nie an diesem Standort geplant. Auch in der Friesenstraße konnten diese Personen nicht aufgenommen werden.
Wie wird gewährleistet, dass im Park bei der Fett’schen Villa keine „Drogenszene“ entsteht?
Auch hier ist keine Aufnahme von drogenabhängigen Menschen vorgesehen. Das Modellvorhaben wird von der Sozialbehörde und Fördern & Wohnen eng begleitet werden. Ein Runder Tisch kann dieses Vorhaben gut begleiten.
Warum ist die Alsterdorf Assistenz West nicht mehr in der Fett’schen Villa? Mussten die für das neue Projekt der Sozialbehörde hier raus?
Dies war eine Entscheidung des Trägers. Die Lawaetz Service GmbH als Vermieterin hat uns angedeutet, dass die Räumlichkeiten für den früheren Betreiber für den Betrieb des betreuten Wohnens für psychisch erkrankte Jugendliche nach einer sehr langen Nutzungszeit aus fachlichen Gründen nicht mehr optimal waren.
Wann sind die Infoveranstaltungen?
Die Veranstaltungen sind für Mitte März vorgesehen. Genaue Tage stehen noch nicht fest.
Wieso sollen zwei Unterkünfte in einer Straße umgesetzt werden? Gab es keine Alternativen?
Für beide Standorte besteht ein dringender Bedarf. Zudem können beide Einrichtungen Synergien zugunsten der Betroffenen (z. B. Pflegeleistungen) nutzen. Eine gezielte Akquise in derselben Straße fand jedoch nicht statt, beide Standorte wurden unabhängig voneinander der Sozialbehörde angeboten. Zu berücksichtigen ist, dass sich bei der einen Unterkunft um eine sehr geringe Anzahl von Plätzen (16) handelt. Die Einrichtung für die pflegebedürftigen Personen hat 118 Plätze.
Begleitung und Unterstützung
An beiden Standorten geht es darum, Menschen in Notlagen zu unterstützen und ihnen die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das erfordert Verständnis, Solidarität und Unterstützung. Das hat der Stadtteil Niendorf in der Vergangenheit an sehr vielen Stellen eindrucksvoll gezeigt und das werden wir gemeinsam hoffentlich auch hier wieder hinbekommen.
Ein wichtiger Baustein dafür ist, dass dafür die soziale Infrastruktur im Stadtteil weiter gestärkt und die Arbeit ehrenamtlicher Helferkreise und Runder Tische weiter unterstützt wird.
Bei Fragen, Anregungen und Kritik bitte gerne melden – wir leiten es an die zuständigen Stellen weiter.